SCAT News / Blog & Fachartikel
Autor: Jan Rittgasser, 08.09.2023
WENN RETENTIONSZEITEN SPAZIEREN GEHEN:
Stabile mobile Phase ohne Gradientensteuerung?
Einfache Lösungen für ein komplexes Problem.
Die Mischung macht‘s!
Wer seine HPLC oder UHPLC mit Lösungsmittelgemischen fährt, steht früher oder später vor dem Problem der Verdunstung. Das Mischungsverhältnis beeinflusst die Auflösung des Analyten, Trennleistung und Selektivität. Verdunstung ändert die Mischung, und Ihre Retentionszeiten machen einen kleinen „Spaziergang“ durch das Chromatogramm. Manchmal auch einen großen, je nach Auflösung Ihrer Zeitachse.
Damit Ihre Peaks beim Durchzählen auch dort stehen, wo sie sollen, wurden Gradientensysteme erfunden. Die Gradientensteuerung passt während des Laufs kontinuierlich das Mischungsverhältnis des Lösungsmittelgemischs an, um die Trennung und Auflösung zu optimieren.
Herausforderungen der Gradientenmethode
Allerdings birgt diese Errungenschaft auch einige Risiken, und die Entscheidung über „kann“ oder „muss“ eines Gradientensystems will wohl überlegt sein.
Hoher Aufwand: Gradientensysteme erfordern umfangreiche Kalibrierung und Optimierung, um die beste Mischkurve zu finden - und konsequente Überwachung, wenn man sie einmal gefunden hat. Das erhöht den technischen und zeitlichen Aufwand.
Kontamination und Reinigung: Gradientenwechsel können zu Schichtbildung im System führen. Die Folgen sind Verunreinigungen und eine aufwändige Säuberung.
Kosten: Gradientensysteme sind in der Anschaffung und im Betrieb wesentlich teurer, da spezielle Pumpen, Mischer, Detektoren und komplexe Steuerungssoftware benötigt werden.
Retentionszeit-Variabilität: Die Anpassung des Mischungsverhältnisses bietet zwar einiges an Flexibilität, um die Auflösung zu optimieren - jedoch bedeutet diese Flexibilität auch Varianzen in den Retentionszeiten selbst. Besonders die Vergleichbarkeit von Analysenergebnissen wird dadurch erschwert.
Der Glücksfaktor
Nehmen wir mal an, wir hätten all diese Faktoren unter Kontrolle, und Kosten spielten keine Rolle. Das alles setzt voraus, dass um unser Lösungsmittel herum permanent absolut identische Bedingungen herrschen. Wer sich schon einmal zu 100% auf die Wettervorhersage verlassen hat, weiß: das geht nicht immer gut.
Beim Wetter dürfen wir gelegentlich auf das Glück hoffen. Werden wir einmal nass, ist es auch kein Weltuntergang. Wer jedoch Verantwortung in der Analytik trägt, sollte niemals auf den Glücksfaktor setzen.
Ein Experiment: Geht es auch ohne Gradientenkontrolle?
Da es in der HPLC oft um organische Verbindungen geht, haben wir für unseren Test das Verhalten einiger PAKs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) unter die Lupe genommen. Ziel war es, herauszufinden, ob und wie sich ein Methanol-Wasser-Gemisch als Lösungsmittel auf die Analyse auswirkt, wenn es einige Zeit lang „sich selbst überlassen“ bleibt.
Rahmenbedingungen
Für unseren Test haben wir folgende HPLC-Konfiguration gewählt:
HPLC-System: VWR HITACHI LaChrom Elite® mit Diodenarraydetektor. Isokratische Pumpenbedingungen mit vorgemischter mobiler Phase. Steuerungssoftware: EZChrom EliteTM.
HPLC-Säule: Purospher® RP-18e (5 μ), 125 x 4 mm.
Prozedur
1. Vier Flaschen (A bis D) wurden mit der identischen Methanol-Wasser-Mischung (80/20) als Lösungsmittel befüllt.
2. Zu Beginn wurde mit der Mischung aus Flasche A ein Referenzchromatogramm mit Proben der drei PAKs Chrysen, Naphthalin und Pyren aufgenommen.
3. Sofort danach wurde Flasche A als Referenzmischung komplett verschlossen. Verwendet wurde die mitgelieferte GL45-Schraubkappe mit PTFE-Dichtung.
4. Alle Flaschen wurden gewogen, um Masseveränderungen nachverfolgen zu können.
5. Flasche B, C und D wurden auf unterschiedliche Weise mittels Kapillare an die HPLC angeschlossen (Durchmesser außen: 3.2mm, innen: 1.6 mm). Dabei wurde nur bei Flasche B ein hermetisch geschlossenes System (SCAT Safety Caps) verwendet. Die übrigen Flaschen wurden mit herkömmlichen Methoden verschlossen (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Setup der Lösungsmittelflaschen im Test
6. Die Flaschen blieben für 31 Tage unter Laborbedingungen bei Raumtemperatur (22°C) an die HPLC angeschlossen. Ausgenommen Flasche A, die als Referenzmischung permanent verschlossen blieb.
7. Nach 31 Tagen wurden die Flaschen erneut gewogen, und die Trennung der drei PAKs unter identischen HPLC-Bedingungen wiederholt, mit Verwendung der mobilen Phasen aus den Flaschen B, C und D.
Ergebnisse
Massenveränderungen (Tabelle 1)
1. Flaschen A (Referenz-Eluent) und B (mit SCAT Safety Cap) zeigten keine signifikanten Massenveränderungen.
2. Bei Flaschen C und D trat ein signifikanter Massen-/Flüssigkeitsverlust auf. Da Flüssigkeit weder entnommen noch hinzugefügt wurde, ist dieser Verlust auf Verdunstung zurückzuführen, wobei der Lösungsmittelanteil der Gemische erfahrungsgemäß schneller verdunstet als der wässrige. Das Verhältnis von Wasser und Methanol im Dampf variierte möglicherweise über den Testzeitraum, da Mischungen aus Wasser und Methanol Azeotrope bilden.
Tabelle 1: Massenveränderungen
Veränderung der Retentionszeiten
(Abb. 2 und 3)
1. Der Eluent aus Flasche B (mit SCAT Safety Cap) führt im Vergleich zum Referenzchromatogramm zu annähernd identischen Retentionszeiten der PAK-Testverbindungen ohne signifikante Verschiebungen.
2. Der Eluent aus den Flaschen C und D liefert eine deutliche Verschiebung bzw. Erhöhung der Retentionszeiten im Vergleich zum Referenzchromatogramm. Eine rein retentionszeitenbasierte Identifikation der Verbindungen wäre in diesem Fall unmöglich.
Bei Annahme eines linearen Verlaufs der Verdunstung der mobilen Phase wird deutlich, dass sogar nach eintägiger Verwendung von teilweise offenen Flaschen mit Änderungen der Retentionszeit zu rechnen ist.
Abb. 2: Retentionszeitenverschiebung mit Eluent aus Flasche C nach 31 Tagen
Abb. 3: Retentionszeitenverschiebung mit Eluent aus Flasche D nach 31 Tagen
Abb. 4: Vergleich aller Retentionszeiten nach 31 Tagen
Vorteile hermetisch verschlossener Eluenten
Reproduzierbarkeit und Konstanz: Ein hermetisch verschlossener Eluent verhindert Verdunstung und gewährleistet damit konsistente Mischungsverhältnisse. Dadurch bleiben die Retentionszeiten über verschiedene Analysen hinweg konstant und die Ergebnisse sind reproduzierbarer.
Stabilität: Änderungen der Umgebungsbedingungen, wie Temperatur und Druck, haben keinen Einfluss auf das Mischungsverhältnis, was insgesamt zu stabileren Analysen führt.
Geringere Komplexität der Methode: Ein fester Eluent erfordert weniger technische Einrichtung, Kalibrierung und Wartung im Vergleich zu Gradientensystemen.
Reduzierte Probenvorbereitung: Durch die konstanten Retentionszeiten entfällt die Notwendigkeit, diese für jede Analyse neu zu bestimmen, was Zeit und Aufwand spart.
Bessere Vergleichbarkeit: Die konsistenten Retentionszeiten erleichtern den Vergleich von Ergebnissen über verschiedene Zeitpunkte hinweg, was in Langzeitstudien oder Qualitätskontrollen besonders wichtig ist.
Ausnahmen
Es kann natürlich vorkommen, dass Sie in jedem Fall eine Gradientensteuerung für Ihre Analytik benötigen. Zum Beispiel dann, wenn andere Faktoren als der Eluent das Verhalten Ihrer Probe im Analysenverlauf beeinflussen. Die Wechselwirkung zwischen dem Analyten und der Säule hängt schließlich von sehr vielen Bedingungen ab.
Ein hermetisch verschlossener Eluent erspart Ihnen jedoch viele Überlegungen, und entlastet Ihre Gradientensteuerung um einen kritischen Faktor. So bleibt mehr Zeit für eine perfekte Anpassung der anderen Parameter Ihrer Methode.
Fazit
Um es kurz zu machen: ja, eine stabile mobile Phase erreicht man auch ohne Gradientenkontrolle, mit wesentlich geringerem Aufwand und niedrigeren Kosten.
Während Gradientensysteme die Flexibilität bieten, das Mischungsverhältnis an die Probe anzupassen, haben hermetisch verschlossene Eluenten klare Vorteile hinsichtlich Reproduzierbarkeit, Stabilität und geringerem Aufwand. Insbesondere in Labors, die auf hohe Präzision und Reproduzierbarkeit angewiesen sind, führt die Verwendung eines festen Eluenten zu genaueren und verlässlicheren Ergebnissen.
Jan Rittgasser
Lab Safety Specialist
SCAT Europe GmbH
Über Ihre Fragen, Kommentare oder Anregungen freue ich mich sehr!
Schreiben Sie mir: jan.rittgasser@scat-europe.com
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Autor: Jan Rittgasser, 08.09.2023
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